11. Juni 2008

Auch dies hat mir mein Sohn erzählt:

Neben dem gescheitelten Mann wurde ihm heiß wegen so viel Blut im Kopf. Die Glieder wurden starr, als könnte ein dummer Insektenreflex helfen. Der Mann lächelte und schaukelte mit seiner Handgelenkstasche. Dessen Worte wollte Thomas sich nicht anhören müssen, denn sie enthielten verlogene Schrauben, die ihm den Kopf festsetzen. Er fühlte den Federkern vom Trabant, die Längsabnähungen, den Schaumstoff, das falsche Sitzgefühl wie auf dem Sofa seiner Oma in Krefeld – um ihn die dünnhäutige Plaste, durch die das System einbrechen konnte – als Auto oder Spitzel. Jedes Mal lud der Mann ihn ein. Oft ins Café. Bei schlechtem Filterkaffee fasste er ihm in den Nacken und erzeugte so jenes Bündel von Angst und Hoffnung, das ihn lange begleitete. Es waren harte Hände, die patschende Wiederholungen in seinem Nacken liebten und Sympathie vortäuschten. Thomas hoffte, dass ein Grinsen als Antwort reichte. Dass es so vorbei gehen würde. Er versuchte eine entspannte und offene Haltung. Also hielt er den Nacken nur leicht gesenkt. Die Augen des Mannes blitzten zufrieden. Du kennst mein Kaliber, guter Junge, schienen sie zu sagen. Laut sagte er: „Deine Mutter und du sollt es hier gut und sicher haben, du musst nur kooperieren. Wir kümmern uns. Das ist hier so …“

Thomas wurde es kalt bei den Worten, ein kühles Britzeln vor allem in den Schulterblättern. Gleichzeitig war ihm so, als würde eine feuchte Planke zwischen seinen Ohren stecken und das Gesagte ausblocken wollen. Er nickte. Der Mann fragte, was seine Mutter machte, Thomas nickte wieder und täuschte vor, sich gründlich zu erinnern. Da blickten ihn die grünlichen Augen kühl an, eine knöchrige Hand puffte ihm auf die Rippen. Also bat Thomas um Zeit: „Mama trainiert täglich, sie ist glücklich, sie liebt ihren Mann …“

Die Wut des Mannes musste irgendwo im rechten Lendenbereich sitzen, genau über dem Po, es zog da. –

Der Mann glaubte ihm nicht, aber er verstand seine Mutter und warum sie weniger lachte und gar nicht mehr sang: Seine Mutter war seit ihrer Ankunft von etwas geschockt, das sie nicht verstand. Sie vertraute es ihm nicht an. Doch so unmerkliche Dinge konnte er nicht erklären.

Schulvergangenheit from Hans Brunkenhoffer on Vimeo.

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